- Title: Klima-Experte bremst bei Hochwasser-Pflichtversicherung
- Date: 20th July 2021
- Summary: REUTERS, MÜNCHEN, 20.07.2021 O-TON CHEF-KLIMAWISSENSCHAFTLER DER MÜNCHENER RÜCK ERNST RAUCH ("Ein solches Modell halte ich nicht für sinnvoll. Warum? Weil in der jetzigen privatwirtschaftlichen, und auf freiwilliger Basis organisierten Versicherungslösung jedes Risiko einen individuellen Preis erhält. Also eine Versicherungsprämie in Abhängigkeit von der örtlichen Gefährdungssituation. Und das hilft natürlich, Risiken transparent zu machen und damit auch Maßnahmen ergreifen zu können, die Risiko adäquat sind.") WEISSBLITZ O-TON CHEF-KLIMAWISSENSCHAFTLER DER MÜNCHENER RÜCK ERNST RAUCH ("Das ist übrigens nicht zwingend ein Wesensmerkmal zwischen Pflichtversicherung und einer freiwilligen Versicherungslösung. Es ist aber ein ganz entscheidendes Element, wenn man über Pflichtversicherung nachdenkt, dass man nicht zu diesem hohen Ausgleich kommt, dass jeder, der eine Versicherungspolice hat, das gleiche bezahlt, denn, am Ende, was erreicht man damit? Dass die Besiedelung gefährdeter Gebiete sogar noch in gewisser Weise angereizt wird. Also wenn ich auch in einem Gebiet, in dem ich alle Jahre einen Überschwemmungsschaden hab, die gleiche Prämie zahle, wie jemand, der in einem gering gefährdeten Gebiet sein Haus baut, dann würde das in die falsche Richtung gehen, Risiken verschlechtern. Insofern ist es eine Frage der Ausgestaltung und am Ende des gesellschaftlichen und politischen Willens") WEISSBLITZ O-TON CHEF-KLIMAWISSENSCHAFTLER DER MÜNCHENER RÜCK ERNST RAUCH ("Sondern eine Aufgabe der Kommunen. Wenn wir jetzt die Schaden-Bilder anschauen aus den Regionen, die jetzt aktuell betroffen sind, dann wäre in vielen Fällen die beste private individuelle Schadenvorbeuge-Maßnahmen, beispielsweise wasserdichte Fenster, Drainagen am am Grundstück, um Wasser Ablauf zu verbessern, wären nicht ausreichend gewesen. Die Dimension war zu groß. Und da kommt eben die Rolle der öffentlichen Hand der Kommune ins Spiel. Also auch auf kommunaler Ebene ist die Frage Hochwasserschutz Starkniederschlags-Schutz, z.B. bei Stadt-Bächen oder Wasserläufen, die durch Ortschaften durchgehen und sprich von den kleinen eine zentrale Aufgabe sich den Veränderungen in der Natur - Stichwort Klimawandel - anzupassen.") WEISSBLITZ O-TON CHEF-KLIMAWISSENSCHAFTLER DER MÜNCHENER RÜCK ERNST RAUCH ("Wo stehen wir in Deutschland? In Europa? Wir sprechen hier, wenn ich in die Vergangenheit zurückschaue, in typischerweise von von Schaden Größenordnungen, die so im einstelligen, das in seltenen Fällen mal das zweistellige Milliarden-Euro Niveau erreicht haben, also mit dem Blick nach vorne, auch wenn Schäden häufiger und größer werden, weil sich Werte entwickeln, weil der Klimawandel eine zunehmende Rolle spielt, dann gibt es keinen plausiblen Anhaltspunkt, dass in der näheren oder mittleren Zukunft die Frage der Versicherbarkeit wirklich zur Debatte steht. Nur, wichtig ist, dass man jenseits dieser Grundfrage deutlich stärker auf die Frage fokussiert wieviel Versicherungsprämie wird denn in der Zukunft zu bezahlen sein? Und wird es nicht notwendig sein, dass man sich anpasst an diese Veränderungen?") WEISSBLITZ O-TON CHEF-KLIMAWISSENSCHAFTLER DER MÜNCHENER RÜCK ERNST RAUCH ("Wenn man sich anpasst an die neue Entwicklung, die aus dem Klima heraus oder an diese Entwicklung aus dem Klima heraus insgesamt, dann ist die Frage der Prämien-Steigerung der notwendigen Prämien-Steigerung völlig abgemildert. Denn jede Risiko Minderung führt ja dazu, dass die Prämien eben nicht erhöht werden müssen, vielleicht in Einzelfällen sogar in die andere Richtung gehen können. Also Anpassung an das heute schon Unvermeidbare ist wesentlich relevanter als die Sorge, dass in absehbarer Zeit Versicherungen nicht zur Verfügung steht. Es wird immer damit verbunden sein, dass die Versicherungsprämie eben das richtige Risiko reflektiert. Und wir sind auch in Europa noch weit, in Deutschland noch weit davon entfernt, dass wir eine soziale Dimension haben, die in anderen Ländern der Welt heute schon deutlich stärker im Vordergrund ist.") WEISSBLITZ O-TON CHEF-KLIMAWISSENSCHAFTLER DER MÜNCHENER RÜCK ERNST RAUCH ("Und in der Tat Bei den Fluss-Überschwemmungen sprechen wir wesentlich häufiger von Überschwemmungen an der Mosel, am Rhein, an der Elbe, an der Donau, also an den großen Fluss-Systemen. Und da ist eben die Auswirkung und die Schaden-Gebiete sind lokal oder regionaler begrenzt, eben entlang dieser Fluss-Systeme. Und das hat man auf dem Radar. Aber bei den stark Niederschlägen, diesen Sturzfluten, wie wir sie jetzt vorherrschend gesehen haben, das gilt deutschlandweit. Insofern hat uns das als Region nicht wirklich überrascht. Ich sitze hier gerade in München und auch hier im Stadtzentrum von München ist ein solches Szenario einer Sturzflut, bei der die Intensität der Niederschläge so intensiv sind, dass die Kanalisation die Wassermassen nicht aufnimmt und dann eben Sturzbäche wirklich im wahrsten Wortsinne durch die Häuser, Schluchten und Straßen ablaufen. Das ist durchaus vorstellbar. Also Sturzflut in dieser oder ähnlicher Art gibt es fast überall die der zusätzliche Faktor ist dann oft die Topografie, also wenn wir in einer Tal Lage sich befindet. Aber auch das ist nichts neues, dass eben in Tallagen dann die die Situation bei stark Niederschlägen, bei Sturzfluten dann nochmal risikoreicher ist.") WEISSBLITZ O-TON CHEF-KLIMAWISSENSCHAFTLER DER MÜNCHENER RÜCK ERNST RAUCH ("Aber dass ein Fluss zu einer Überschwemmung führen kann, das haben die meisten auf auf dem Radar. Und eben deutlich zu wenig auf dem Radar oder in dem Bewusstsein ist die Situation, dass jeder Punkt in Deutschland Überschwemmungen gefährdet ist bezüglich dieser sogenannten Sturzfluten und wenn man eben zusätzlich noch in einer Region wohnt, in der Nähe eines Hangs oder am Tal, in der Talsohle - wir hatten ja nicht nur des Ahrental, beispielsweise jetzt in Westdeutschland. Wir hatten Berchtesgaden am Wochenende, dort waren es weniger die Flüsse, sondern am Ende sozusagen eines Hangs. Ja, dann sind das nochmal verstärkende Faktoren bei diesen Sturmfluten. Und daraus abgeleitet sollte jeder, der in einer solchen geografischen Situation wohnt, sich noch intensiver mit dieser Gefahr Sturzflut auseinandersetzen und Maßnahmen ergreifen, soweit die auch, das muss man ehrlich sagen, sinnvoll machbar sind. Also die Dimensionen, die wir gesehen haben, haben eben auch was mit kommunaler Vorsorge zu tun. Sodass man eben beides braucht private und kommunale Schutzmassnahmen, um die Schäden nicht größer werden zu lassen und insbesondere die humanitäre, also die Opfer-Dimension kleiner werden zu lassen.")
- Embargoed: 3rd August 2021 14:46
- Keywords: Flut Munich Re Versicherungen Ãœberschwemmungen
- Location: MÃœNCHEN
- City: MÃœNCHEN
- Country: Germany
- Topics: Environment,Europe,Weather
- Reuters ID: LVA001EMN8W9F
- Aspect Ratio: 16:9
- Story Text: Der Chef-Klimawissenschaftler der Münchener Rück warnt vor Fehlanreizen durch eine Pflichtversicherung für Hausbesitzer gegen Elementarschäden wie Hochwasser und Starkregen. Eine Einheitsprämie für solch eine Versicherung könne kontraproduktiv sein, sagte Ernst Rauch am Dienstag zu Reuters TV. "Ein solches Modell halte ich nicht für sinnvoll." Der Tarif müsse das lokale Risiko widerspiegeln. "Sonst würden wir Anreize schaffen für die Besiedelung von Gebieten, die hoch gefährdet sind." Damit würde das Risiko auf die Allgemeinheit verteilt. Die absehbaren Milliardenschäden durch Dauerregen an kleineren Flüssen und Bächen im Rheinland, in der Eifel und in Westfalen hatten erneut eine Debatte über eine Pflichtversicherung gegen solche Naturgefahren ausgelöst. Rauch sieht auch die Kommunen in der Verantwortung, für mehr Schutz vor Hochwasser zu sorgen. Private Vorsorgemaßnahmen wie wasserdichte Fenster oder Drainagen an den Grundstücken hätten gegen die Wucht der Sturzfluten nichts ausrichten können. "Die Dimension war zu groß." Die öffentliche Hand müsse die Infrastruktur systematisch an die Veränderungen in der Natur im Klimawandel anpassen, etwa durch die Renaturierung von Bächen, um fließenden Gewässern bei Starkregen mehr Freiraum zu geben. "Man braucht private und kommunale Schutzmaßnahmen, um die Schäden nicht größer und insbesondere die humanitäre, also die Opfer-Dimension kleiner werden zu lassen", sagte Rauch. Das aktuelle Hochwasser unterscheide sich grundsätzlich von Überschwemmungen an größeren Flüssen, etwa am Rhein, der Mosel oder an der Donau, erklärte Rauch. Dort könnten die Hausbesitzer oder Unternehmer die Gefahr recht gut einschätzen. Hier führten intensive Niederschläge zu Sturzfluten. "Sturzfluten dieser Art gibt es fast überall in Deutschland", gefährdet seien vor allem Tallagen. "Daraus abgeleitet sollte jeder, der in einer solchen geographischen Situation wohnt, sich noch intensiver mit dieser Gefahr auseinandersetzen und Maßnahmen ergreifen", appellierte der Klimaexperte. Der Dauerregen lasse sich "mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit" auch auf den Klimawandel zurückführen. Durch die höheren Temperaturen in der Arktis lasse der Jetstream nach, wodurch Hoch- und Tiefdruckgebiete sich langsamer bewegten. Eine staatlich unterstützte Elementarversicherung hält Rauch in Deutschland aber für unnötig. Versicherer und Rückversicherer stießen längst nicht an die Grenzen ihrer Kapazität. Im größten Schadenjahr 2017 hätten sie weltweit mehr als 100 Milliarden Euro an Schäden bezahlt. "In Europa, in Deutschland sprechen wir von Größenordnungen, die ein einstelliges, in seltenen Fällen mal zweistelliges Milliarden-Euro-Niveau erreicht haben." Die Frage sei eher, wie hoch die Prämien künftig sein müssten. Die Steigerungen ließen sich durch Schutzmaßnahmen abmildern. "Die Anpassung an das heute schon Unvermeidbare ist wesentlich relevanter als die Sorge, dass in absehbarer Zeit Versicherung nicht mehr zur Verfügung steht", sagte Rauch.
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