- Title: Deutsche Helfer sehen kaum noch Chancen für Ortskräfte in Afghanistan
- Date: 27th August 2021
- Summary: REUTERS, EBERSWALDE, 27.08.2021 O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN AM COMPUTER HÄNDE COMPUTER MIT INFORMATIONEN ZU ORTSKRÄFTEN O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN ("Also wenn alle Menschen afghanischer Nationalität, die in den Flugzeugen waren, Ortskräfte waren und ihre Familienangehörigen, was wir wissen, dass nicht der Fall ist, dann haben wir immer noch circa 50 Prozent der Ortskräfte zurückgelassen, auch aufgrund der Tatsache, dass die Personengruppe dann letztendlich immer mehr gewachsen ist in den letzten Tagen. Was dann aber nicht mehr dazu geführt hat, dass die dann auch irgendwie eine Chance hatten. Nur weil man vor zwei Tagen entschieden hat, dass gewisse Menschen jetzt auch antragsberechtigt sind oder in ein Flugzeug hätten steigen dürfen. Das hat die Kapazität nicht erhöht und die Chance dieser Menschen war gleich null und dementsprechend sind die jetzt auch immer noch da.") FAUST O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN ("Uns ist bekannt, dass der Bruder einer Ortskraft erschossen worden sein soll von den Taliban. Das lässt sich wie gesagt alles nicht verifizieren. Aber Racheakte soll es geben, temporär oder lokal. Und das kann man alles nicht mehr aufklären. Wie das denn so sein wird, wenn wir in 2, 3, 4, 5 Wochen nach Afghanistan blicken. Uns graust davor.") GROTIAN VOR COMPUTER O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN ("Also wert ist es immer, das Richtige zu versuchen, und wenn man versucht hat, Afghanistan in eine bessere Zukunft zu führen, dann bin ich sicher, dass es das wert war. Ob das aber hinterher dann so zu Ende gebracht wurde, dass da was Nachhaltiges draus geworden ist oder werden könnte, das ist derzeit das Problem. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand das Richtige versucht und dabei scheitert. Aber das Richtige wäre hier auch gewesen, unsere Angestellten mit Aufnahme zu sagen, in Sicherheit zu bringen. Und daran sind wir gescheitert.") GROTIAN SPRICHT O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN ("Ich bin da sehr emotional. Ich bin da sicherlich nicht die objektivste Quelle. Aber vielleicht macht das das ja auch ein bisschen authentisch, dass es hier um Menschenleben geht und ging, die wir aufnehmen wollten und es nicht geschafft haben, die in Sicherheit zu bringen als eines der reichsten Länder der Welt. Das ist halt eine Rahmenbedingung, die, wenn man sich anguckt, wie viel Zeit und Energie in diesen Einsatz geflossen ist, dass man dann am Ende es nicht geschafft hat, 2.000 Menschen, die visaberechtigt gewesen wären, in 2 Monaten zu einem Visa zu verschaffen. Da bin ich baff erstaunt.") FAUST O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN ("Die Möglichkeit für Ortskräfte Deutschlands rauszufliegen ist jetzt ja nicht mehr vorhanden. Das deutsche Kontingent hat abgebaut und ist da nicht mehr vorhanden. Deshalb, die sind natürlich verbittert und frustriert und auch hoffnungslos. Denn so richtig wie es jetzt weitergehen soll, wissen sie alle nicht. Auch wir sind da durchaus etwas ratlos zurzeit. Wir suchen nach Möglichkeiten, die jetzt nicht mehr geworden sind, seitdem der Flughafen nicht mehr funktioniert.") GROTIAN SPRECHEND O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN ("Also schnell und einfach wird es da gar nichts geben. Und für uns ist das Problem, dass viele Ortskräfte in den letzten Tagen erst antragsberechtigt für Visa oder zu dem berechtigten Kreis hinzugefügt wurden, und die natürlich auch nicht alle oder viele von denen haben die nötigen Papiere gar nicht, mussten sie vielleicht schon abgeben, sind beim dritten Mal durch den Checkpoint bei den Taliban gehen, wurde ihnen etwas weggenommen oder sie haben es weggeworfen. Das sind halt alles Rahmenbedingungen, die machen es nicht einfacher. Und jetzt ein Flugbetrieb, wo Menschen mit gültigen Papieren, habe ich gehört, ausfliegen können, davon sind nicht so viele dabei. Aber auch das ... jede Möglichkeit zählt, jede Chance werden wir versuchen, den Ortskräfte irgendwie zu ermöglichen, und dass sie die nutzen können.") GROTIAN SPRECHEND O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT UND LEITER DER ORGANISATION PATENSCHAFTSNETZWERK AFGHANISCHE ORTSKRÄFTE MARCUS GROTIAN ("De facto gar nicht. Das ist erst mal das Hauptproblem. Andere Nationen haben das jetzt so gelöst, auch in den letzten Tagen der Evakuierungsoperation, dass sie virtuelle Visa verschickt haben, die ihnen die Möglichkeit gaben, den Ortskräfte der eigenen Nation jeweils sich zumindest zu zeigen, schau, ich bin das. Ich bin antragsberechtigt. Die Unterlagen liegen da, die Kontaktdaten auch. Das wäre ja vielleicht auch eine Möglichkeit, ihnen irgendwie ein Dokument, von uns ausgestellt, zu geben. Ja, dass sie das dann zumindest als Nachweis haben. Denn ansonsten, ohne irgendwelche Papiere wird das schon sehr schwer.") GROTIAN SPRECHEND O-TON BUNDESWEHR-SOLDAT MARCUS GROTIAN ("Das kann man natürlich nicht bestätigen. Ein verpixeltes Video, wo Menschen erschossen werden in Masar i Scharif, ob das Ortskräfte waren, man kann das nicht sagen. Die Berichte sind auf jeden Fall da. Die UNHCR hat das ebenfalls schon bestätigt. Ich kann das nicht von hier beurteilen. Ich kann nur sagen, dass wir jetzt hoffen müssen. Das ist halt schon eine sehr schlechte Ausgangsposition. ") HAND AUF MOUSE-PAD INFORMATIONEN AUF COMPUTER SCREEN ZU ORTSKRÄFTEN
- Embargoed: 10th September 2021 13:40
- Keywords: Afghanistan Evakuierung Ortskräfte
- Location: EBERSWALDE
- City: EBERSWALDE
- Country: Germany
- Topics: Conflicts/War/Peace,Europe
- Reuters ID: LVA001ES20S43
- Aspect Ratio: 16:9
- Story Text: Das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte sieht kaum noch Chancen, die ehemaligen Helfer der deutschen Truppen noch aus Kabul zu evakuieren. "Die Möglichkeit für Ortskräfte Deutschlands rauszufliegen, ist jetzt ... nicht mehr vorhanden", sagte der Leiter der Organisation, Marcus Grotian, im Interview mit Reuters TV am Freitag. Alle seien nach dem Ende der deutschen Luftbrücke und den Anschlägen vom Donnerstag "verbittert und frustriert und auch hoffnungslos, denn so richtig, wie es jetzt weitergehen soll, wissen sie alle nicht". Wichtig für eine Ausreise seien vor allem Papiere wie ein Visum und ein gültiger Reisepass. "Schnell und einfach wird es da gar nichts geben", sagte Grotian.
Die Bundeswehr hatte am Dienstag ihren Evakuierungseinsatz am Flughafen Kabul beendet. Laut Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer flog die Bundeswehr insgesamt 5347 Menschen aus mindestens 45 Nationen aus. Darunter waren demnach rund 500 Deutsche und mehr als 4000 Afghanen. Grotian geht davon aus, dass noch mindestens 5.000 ehemalige Helfer der Deutschen und deren Kernfamilie in Kabul sind und sich die Menschen in großer Gefahr befinden. Dass die Taliban die früheren Ortskräfte einbinden könnten, hält er für unmöglich. Sie hätten schließlich 20 Jahre dabei geholfen, die Taliban zu bekämpfen.
Nach dem für kommenden Dienstag angekündigten Abzug der USA vom Flughafen Kabul ist die Luftbrücke endgültig beendet. Was danach geschieht, ist unklar. Die Bundesregierung hat angekündigt, sie werde versuchen, die verbliebenen Ortskräfte entweder über Linienflüge außer Landes zu bringen oder sie über den Landweg in Nachbarstaaten Afghanistans zu geleiten. Grotian hält beide Möglichkeiten für wenig aussichtsreich. Hauptproblem wären auch hier gültige Papiere. Die Chance, diese nach der Schließung der deutschen Botschaft in Kabul zu bekommen, sieht Grotian "de facto gar nicht".
Er verweist auf andere Länder, die ihren Ortskräften zumindest "virtuelle Visa" ausgestellt hätten. Damit hätten die Menschen wenigstens etwas in der Hand. Dass es der Bundesregierung nicht gelungen sei, den Ortskräften rechtzeitig ein Visum auszustellen und sie in Sicherheit zu bringen, "da bin ich bass erstaunt". - Copyright Holder: REUTERS
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